In der letzten Septemberwoche 2022 kamen im kleinen Strandort Llançà an der spanischen Costa Brava 27 Masterstudierende und Doktorand*innen zusammen. Am Beispiel der Landnutzungskonflikte vor Ort in der Region Alt Empordà lernten sie die Grundlagen und Herausforderungen transdisziplinärer Forschungsprojekte kennen. Ein für alle Beteiligten spannender und bereichernder Auftakt der Summer-School-Kooperation zwischen dem tdAcademy-Team am ZTG und dem ISST der Universitat Politècnica de Catalunya.
Die Summer School wurde maßgeblich von Josefa Kny, Martina Schäfer (beide tdAcademy/ZTG), Gemma Tejedor und Jordi Segalàs (beide ISST/UPC) entwickelt und organisiert. Das Projekt entstand im Rahmen des tdAcademy-Fellowships von Gemma Tejedor am ZTG.
In der transdisziplinären Forschung und Praxis geht es darum, verschiedene Perspektiven von Akteur*innen aus Wissenschaft und Gesellschaft zusammenzubringen, um einen Beitrag zur Lösung realweltlicher Probleme zu leisten. Dies im Rahmen einer einwöchigen Summer School zu schaffen, erschien uns, den Organisator*innen von ZTG und ISST, vermessen und dennoch wollten wir nicht in der reinen Theorie verharren. Dank den etablierten Kontakten der UPC-Forscher*innen in der Region Alt Empordà hatten wir die Gelegenheit, uns mit einem brandaktuellen Landnutzungskonflikt auseinanderzusetzen und die Stimmen verschiedener Akteur*innen aus Naturschutz, Landwirtschaft und Aktivismus zu hören.
Die landschaftliche Schönheit der Region hat seit den 1970er Jahren zu einer immer intensiveren Bebauung mit vornehmlich Ferienunterkünften geführt, die im Winter meist leerstehen. Diese Entwicklung steht im Konflikt mit dem Schutz der Natur und insbesondere der außergewöhnlich hohen Biodiversität in der Region. Letztere ist aktuell aber vor allem durch die geplante 500 MW Offshore-Windenergiepark vor dem Golf de Roses bedroht. Dieser ist hoch umstritten, sodass sich in einem ungewöhnlichen Bündnis Gemeindeverwaltungen, Landwirt*innen, Touristenverbände und Naturschutzaktivist*innen zum Protest zusammengeschlossen haben. Diese Konfliktlinien haben wir in der Summer School aufgegriffen, um exemplarisch transdisziplinäre Methoden der Definition von Problem und Fragestellung, Partizipation, Wissensintegration und Wirkungsreflexion zu erproben. Der konkrete Praxisbezug der Übungen wurden von den Teilnehmer*innen besonders wertgeschätzt.
“The case study I think was just perfect and extremely related to the topic. The alternating explanations by all the teachers were excellent. I think the school was very useful for my future.”
Gemeinsam führten wir eine Aufstellungsübung durch, um die Positionen der Akteur*innen in der Region besser kennenzulernen. In Gruppen entwickelten die Teilnehmer*innen auf Basis thematischer Inputs transdisziplinäre Forschungsfragen, Partizipationskonzepte sowie Formate für die Wissensintegration. Dafür erhielten sie zusätzlich einen Überblick über verschiedene Sammlungen und Toolboxes zu transdisziplinären Methoden. In einem Rollenspiel diskutierten sie die intendierten und nicht-intendierten Wirkungen ihrer entwickelten Projekte. Ein Open Space erlaubte, offene Fragen und Herausforderungen rund um transdisziplinäres Forschen zu vertiefen.
Exkursionen entlang des Cami de Ronda und in den Aiguamolls de L’Empordà Naturpark, auf denen uns lokale Akteur*innen begleiteten, halfen, die Gegend und ihre Konflikte genauer kennenzulernen – und zwischen den Lern- und Arbeitssession die Köpfe etwas durchzulüften. Am letzten Tag hatten die Teilnehmer*innen die Gelegenheit, ihre Ideen und Konzepte für transdisziplinäre Projekte in der Region in der Bibliothek der Gemeinde L’Escala am Golf de Roses einem Vertreter der Gemeindeverwaltung vorzustellen. Außerdem gaben die Summer-School-Teilnehmer*innen Schüler*innen einer anwesenden Oberschulklasse eine gute Portion Motivation und Mut mit, sich für eine nachhaltige Zukunft in ihrer Region zu engagieren.
In diesem ersten Durchgang kamen bedingt durch die Bewerber*innenlage überdurchschnittlich viele Teilnehmer*innen aus Deutschland und von der UPC. Für die nächste Summer School ist uns daran gelegen, die Bekanntmachung noch besser in europäische Netzwerke zu streuen, um noch eine höhere Diversität der Teilnehmer*innen zu erreichen. Mit Blick auf die fachlichen Hintergründe hingegen ist eine gute Durchmischung und ein ausgeglichenes Verhältnis von Masterstudierenden und Doktorand*innen gelungen, sodass die Teilnehmer*innen viel voneinander lernen konnten. Das wurde auch sehr geschätzt:
I particularly liked…
… “the mix of people coming from very different backgrounds and disciplines. This was very interesting and inspiring.“
… “the diversity of the group, as for gender, nationalities, mentalities and professional/educational backgrounds. This brought a true richness of reflections, discussions and inspirations.”
Unser Programm für die Woche – das ist vermutlich schon deutlich geworden - war voll und reichhaltig – im positiven wie im negativen Sinne. Im schriftlichen Feedback findet sich daher vielfach der Wunsch nach kürzeren Arbeitstagen, mehr Pausen und dafür eine insgesamt längere Dauer der Summer School. Dies werden wir in unsere künftigen Planungen einbeziehen. Als Organisator*innen freute uns jedoch besonders das Staunen vieler Teilnehmer*innen darüber, dass wir eine solche Summer School zum ersten Mal gemeinsam konzipiert und organisiert haben – alles in allem ist es sehr gut gelaufen und wir freuen uns auf einen zweiten Durchgang im nächsten Jahr.
“All my gratitude for this very enlightening week. Now the time has passed, […] I understand even more how I can apply this knowledge and experience in my future projects. Keep on doing it, this is a truly valuable experience.“