Am 29. November 2022 veranstalteten Josefa Kny und Martina Schäfer (ZTG/TU Berlin) einen digitalen Reflexionsworkshop zur Themenlinie 1 „Gesellschaftliche Wirkungen“. Einen Vormittag lang wurden die vorläufigen Erkenntnisse aus den letzten zwei Jahren Forschung vorgestellt und gemeinsam mit zahlreichen Teilnehmer*innen diskutiert, die selbst transdisziplinär forschen und sich für das Thema Stärkung und Nachverfolgen von gesellschaftlichen Wirkungen interessieren. Zusätzlich bereichert wurde der Workshop durch Kommentare von  Arnim Wiek und Flurina Schneider.

Das Format: 

Seit dem im März 2022 veranstaltetem Dialogforum, in dessen Rahmen erste Ergebnisse präsentiert und mit Teilnehmer*innen der Wirkungsworkshops diskutiert wurden, hat sich in der Themenlinie 1 „Gesellschaftliche Wirkungen“ einiges getan. Das in den vergangenen zwei Jahren entwickelte und verfeinerte Methodenset zur Reflexion und Stärkung gesellschaftlicher Wirkungen von transdisziplinären Forschungsprojekten konnte in weiteren Wirkungsworkshops mit mehreren transdisziplinären Forschungsprojekten zu verschiedenen Zeitpunkten ihrer Laufzeit erprobt und bereits vorliegende Erkenntnisse bestärkt sowie neue gewonnen werden. Über 50 Teilnehmer*innen nutzten die Gelegenheit, die aktuellen Forschungsergebnisse kennenzulernen, zu diskutieren und miteinander ins Gespräch zu kommen. Da der Fokus des Workshops vor allem auf der gemeinsamen Validierung der bisherigen Erkenntnisse sowie dem Erfahrungsaustausch lag, gab es zwischen den Inputs auch Raum für Fragen, Anmerkungen und Erfahrungen. In Breakout-Sessions konnten sich die Teilnehmer*innen vertiefend austauschen. Wir danken allen Partizipierenden für ihren wertvollen Input!

Die vorläufigen Ergebnisse: 

Martina Schäfer und Josefa Kny, verantwortlich für die Themenlinie 1 „Gesellschaftliche Wirkungen“, stellten einen Zwischenstand der Erkenntnisse vor, welche zusätzlich durch zwei Expert*innen kommentiert wurden. Der Workshop wurde entlang dreier Themenblöcke konzipiert. Der erste Teil beschäftigte sich mit der Systematisierung der Vielfalt von Wirkungsordnungen und -formen. Martina Schäfer stellte die im Vorläuferprojekt TransImpact entwickelte Wirkungsheuristik*  zur Analyse gesellschaftlicher Wirkungen transdisziplinärer Projekte vor, die zur Systematisierung eingesetzt wurde. Als vorläufiges Fazit hat sich ergeben, dass sich die Wirkungsordnungen für die Durchführung. der Workshops als geeignet erwiesen haben, um Wirkungen nach ihrem Eintreten und der Steuerbarkeit durch das Projekt einzuordnen. Darüber waren die Wirkungskategorien hilfreich, um während des Workshops gezielt Fragen nach bestimmten potenziellen Wirkungsformen zu stellen bzw. die aufgeführten Wirkungen im Nachgang zu kategorisieren. Die in den Workshops mit sieben Projekten gesammelten Ergebnisse haben keinen Bedarf für weitere Wirkungskategorien erkennen lassen. Es hat sich gezeigt, dass die Wirkungsformen, die in der Heuristik der 1. Wirkungsordnung zugeordnet wurden (bspw. Netzwerkbildung und Lernprozesse) auch nach Ablauf der Projektdauer relevant bleiben. In der anschließenden Diskussion wurde erörtert, inwieweit die Wirkungsheuristik nach Schäfer et al. 2021 als nützlich angesehen wird, um die in transdisziplinären Projekten auftretende Wirkungen zu kategorisieren.

wirkungsheuristik neu groß

Abb. Kategorien zur Analyse gesellschaftlicher Wirkungen transdisziplinärer Projekte

Vor der gemeinsamen Diskussion wurde der Input von Prof. Dr. Arnim Wiek (School of Sustainability, Arizona State University, Gastprofessuren an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg & Leuphana Universität Lüneburg) kommentiert, der durch seine eigenen Arbeiten im Bereich der Wirkungsforschung, wertvolle Anregungen lieferte. In seinem Kommentar legte er den Schwerpunkt auf die Relevanz von konkreter Attribution von Forschungswirkungen zu spezifischen Forschungsmerkmalen. Fazit seines Kommentars war es, dass die Heuristik nützlich für die Stärkung einer Wirkungsorientierung von der Planung über den Projektverlauf bis zum Abschluss transdisiziplinärer Projekte ist. Ergänzend schlug er vor, Forschungsmerkmale, wie die Beteiligung relevanter Akteure, als zentrales Element in die Heuristik aufzunehmen. Die Heuristik könnte so dabei helfen, dem bisher beobachtbaren Missmatch zwischen Zielen, Forschungsmerkmalen und den angestrebten Wirkungen entgegenzuwirken. Außerdem betonte er, dass mehr Ressourcen für Beratung, Projektmanagement etc. von Nöten sind, um in transdisziplinären Forschungsprojekten Wirkungsanalysen zu ermöglichen. Darüber hinaus sei es aber sehr wichtig, sich in der Community der transdisziplinär Forschenden auf einen gemeinsamen Bewertungsrahmen zu einigen, um größere Datensätze untersuchen zu können und damit auch generalisierbare Ansätze zu Wirkungen zu ermöglichen.

Diese und weitere interessante Punkte wurden im Anschluss in Breakout-Sessions entlang folgender Fragen diskutiert: Welche Vor- und Nachteile sehen Sie mit Blick auf die Wirkungsheuristik? Welche Wirkungsformen und ggf. sonstige Kategorien unterscheiden Sie in Ihrem Projekt bzw. Ihrer Arbeit mit Wirkungen?

Anhand der Ergebnisse aus drei Projekten, die in der Themenlinie 1 begleitet wurden, stellte Josefa Kny im zweiten Teil vorläufige Ergebnisse mit Blick auf die identifizierten Wirkungspfade vor: Welche Zusammenhänge lassen sich zwischen Projektaktivitäten, -ergebnissen und -wirkungen nachzeichnen? In ihrem Input ging sie auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Wirkungspfade ein, die sich aus der Arbeit mit den Projekten ergeben haben. In allen drei Fällen wurden eher „weiche“ Wirkungen wie Lernprozesse und Netzwerkbildung als Voraussetzung (Mediatoren) für die Entfaltung von greifbareren Wirkungen in der 2. und 3. Ordnung angesehen. Gleichzeitig wurde deutlich, dass die Steuerbarkeit der Wirkungen tendenziell mit der Zeit und Entfernung vom Projektkontext abnimmt. Allgemein stellte sich die Sichtbarkeit und Verbreitung der Prozesse und Ergebnisse der Projekte als zentral angestrebte Wirkung heraus. Alle drei Projekte setzen auch stark auf die Initiierung und Entwicklung von Netzwerken, die sich verstetigen, also sich eigenständig weiterentwickeln, aktiv werden und weitere Akteure motivieren mitzuwirken. In allen Fällen zeigten sich jedoch bereits Grenzen dieses Setzens auf eine Eigendynamik und die Wirkungsrelevanz des Projektverbundes, was einen stärkeren Fokus auf die Zusammenarbeit und mögliche Synergien erfordert. Für die Verstetigung und Verbreitung der Projektwirkungen wurde zudem in allen drei Fällen auf Piloten bzw. Best Practices, die etwas überzeugend veranschaulichen bzw. erfahrbar machen, sowie Multiplikatoren, die aus dem engeren Netzwerk heraus, Wissen und Praktiken weitertragen, gesetzt. Während erstere erst etabliert werden müssen, müssen zweitere ihre Rolle auch annehmen. Als besonders relevant erschienen für das Erreichen angestrebter Wirkungen daher die Fragen, ob ausreichend Ressourcen und Kompetenzen für Transfer- und Netzwerkaktivitäten vorhanden sind, wie diese zwischen Wissenschaft und Praxis verteilt sind und was für die Verstetigung notwendig ist.

Prof. Dr. Flurina Schneider (Wissenschaftliche Geschäftsführerin ISOE, Professorin für Soziale Ökologie und Transdisziplinarität an der Goethe-Universität Frankfurt) fokussierte in ihrem Kommentar auf die Frage nach den Beziehungen zwischen transdisziplinären Forschungsprozessen und Nachhaltigkeitstransformation.  Sie teilte ihre Erfahrungen mit der Arbeit mit Wirkungspfaden, in der sie ähnliche Erkenntnisse wie das tdAcademy-Team gesammelt hat. Schneider plädierte für eine tiefergehende Analyse dessen, was in der Zusammenarbeit passiert, welches Handlungspotenzial sich in transdisziplinären Projekten ergibt und wie dieses aktiviert werden kann. Darüber hinaus sprach sie ebenso wie Arnim Wiek die Notwendigkeit größerer Fallzahlen an, um valide Erkenntnisse zu erlangen.

Im letzten Teil des Workshops wurde der Blick noch einmal verstärkt auf die Wirkungsworkshops als Tool geworfen. Anhand der Auswertung der Feedbackfragebögen und Feedbackrunden mit den Workshopteilnehmer*innen im Rahmen der Wirkungsworkshops, wurde zur Diskussion gestellt, inwiefern sich diese als ein hilfreiches Tool für eine strategische Wirkungsorientierung in transdisziplinären Forschungsprojekten erweisen und wo Herausforderungen bestehen.

Ein systematischer Ansatz, wie er im Workshop vorgestellt wurde ist hierfür meiner Ansicht nach immens wertvoll. Gerade in transdisziplinäre Projekte, an denen diverse Akteure und Themen eine Rolle spielen. Ich konnte viel für meine eigene Forschungsarbeit mitnehmen.“ – Feedback eine*r Teilnehmer*in

Der Austausch: 

Die Diskussionen konzentrierte sich vor allem auf die Frage nach geeigneten Ansätzen, um Wirkungspfade nachzuvollziehen. Thematisiert wurde auch, wie es gelingen kann, Wissens- sowie Lernprozesse anzustoßen und Wirkungen zu verstetigen.

Diskutiert wurde außerdem über die Frage, welche Ressourcen für eine systematische Wirkungsreflexion von Nöten sind und welche Vor- und Nachteile eine externe Begleitung gegenüber einer projektinternen Perspektive für die Erfassung von Wirkungen hat. Dabei wurden Schwierigkeiten im Bereich der Förderpolitik angesprochen, die es bisher oft nicht ermöglicht, ausreichend Ressourcen für die Wirkungsreflexion und -erfassung zu beantragen.

Angeregt wurde darüber hinaus, über das eigene Rollenverständnis als Forschende innerhalb eines transdisziplinären Forschungsansatzes zu reflektieren: Sind wir in der klassischen Rolle von Forschenden als Beobachtenden? Oder agieren die Forschenden in bestimmten Phasen eher als Change Agents? Daran anschließend, wurde auch die Frage gestellt, wie über die verschiedenen Rollen reflektiert werden kann und was diese für die Zusammenarbeit in transdisziplinären Prozessen bedeuten. Wie geht man mit den vielfältig zusammengesetzten Gruppen mit diversen Interessen und auch verschiedenen Anreizmechanismen um?

Diese und viele weitere interessante Fragen wurden im Rahmen des Reflexionsworkshops diskutiert. Für uns hat der Workshop viele wertvolle Anregungen und Denkanstöße geliefert und dem Feedback zufolge ging es den Teilnehmer*innen ähnlich:

„Der Workshop hat mich sehr inspiriert und mir nochmal gezeigt, wie wichtig es ist, sich in Forschungsprojekten, gerade in Verbundprojekten, die Zeit zu nehmen, gemeinsam über die intendierten und nicht intendierten Wirkungen zu reflektieren und über die Ressourcen- und Rollenfrage nachzudenken“ – Feedback eine*r Teilnehmer*in

 

* Schäfer, Martina, Matthias Bergmann, and Lena Theiler. “Systematizing Societal Effects of Transdisciplinary Research.” Research Evaluation 64 (2021): 215. doi:10.1093/reseval/rvab019.