Quelle: Nagy, Marg, Theiler, 2024

Am 12. Juni 2024 veranstalteten die Themenlinien 1 (gesellschaftliche Wirkungen) und 2 (wissenschaftliche Wirkungen) des Projekts tdAcademy einen digitalen Workshop zum Thema ihrer Schnittstelle, die sich mit Beziehungen zwischen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Wirkungen transdisziplinärer Forschung auseinandersetzt. Im ersten Teil präsentierten Oskar Marg (ISOE), Lena Theiler (ISOE) und Emilia Nagy (ZTG/TU Berlin) die vorläufigen Erkenntnisse aus der gemeinsamen Schnittstellenarbeit zu Synergien und Trade-offs transdisziplinären Forschens und diskutierten sie mit Teilnehmer*innen aus Wissenschaft und Praxis, die selbst transdisziplinäre Forschungserfahrung haben. Um die empirische Grundlage für die Schnittstellenarbeit zu erweitern, wurden zudem im zweiten Teil des Workshops drei Fokusgruppen (2x Wissenschaft, 1x Praxis) durchgeführt. Der Schwerpunkt dieser Diskussionen lag auf Strategien, um mit Zielkonflikten umzugehen und Synergien zu stärken. Die Fokusgruppen wurden in der Co-Moderation durch Alexandra Lux (ISOE), Martina Schäfer (ZTG/TU Berlin) und Annabell Lamberth (ZTG/TU Berlin) unterstützt.

Hintergrund und Zielsetzung

Im Rahmen der Schnittstelle 1 werden die Arbeiten fort- und zusammengeführt, die in der ersten Förderphase in der Themenlinie 1 „Gesellschaftliche Wirkungen“ und der Themenlinie 2 „Wissenschaftliche Wirkungen“ noch relativ getrennt voneinander realisiert wurden. Seit Beginn der zweiten Förderphase gehen Oskar Marg und Lena Theiler (ISOE) sowie Emilia Nagy (ZTG/TU Berlin) der Frage nach, in welchen Beziehungen Aktivitäten zur Generierung von sowohl wissenschaftlichen und als auch gesellschaftlichen Wirkungen transdisziplinärer Forschung zueinanderstehen. Die bisherige integrative Sekundäranalyse der jeweils erhobenen Daten aus der ersten Förderphase macht deutlich, dass diese beiden Ziele zu Trade-offs (Zielkonflikte) führen können. Die Verfolgung beider Ziele weist aber auch das Potenzial auf, sich gegenseitig zu ergänzen und somit Synergien zu schaffen.

Dass diese Fragestellung eine hohe Relevanz für die TD-Community hat, zeigte sich bereits bei einem Workshop zu Synergien und Trade-offs in der transdisziplinären Forschung bei der PartWiss-Konferenz im November 2023. Der Schnittstellenworkshop im Juni 2024 diente einerseits zur Weiterführung und Vertiefung des fruchtbaren Austauschs mit erfahrenen transdisziplinär Forschenden und gleichzeitig als Möglichkeit, weitere Daten gezielt zu erheben.

Ablauf des Workshops

Im ersten Teil des Workshops wurden vorläufige Ergebnisse der Sekundäranalyse zu der Frage vorgestellt, was Synergien und Trade-offs transdisziplinärer Forschung sind und welche ihre gängigsten Arten sind. Die anschließende Reflexion der Zwischenergebnisse in Kleingruppen führte zu der allgemeinen Feststellung, dass die Besonderheiten der transdisziplinären Forschung aus Sicht der Wissenschaft schon relativ gut erforscht seien, während die Reflexion aus der Perspektive der Praxis noch weitgehend fehle. Die Erfassung und Auswertung beider Perspektiven in der Schnittstelle 1 ermöglicht einen Vergleich. Hier ist zu erwarten, dass mit unterschiedlichen Interessen und Erfahrungshintergrund auf mögliche Synergien und Trade-offs geschaut wird. Einigung herrschte darüber, dass transdisziplinäre Projekte einen Reflexionsraum über die Grenzen der Wissenschaft eröffnen: Die Wissenschaftler*innen können beispielsweise Annahmen von Modellen in der Praxis validieren, gleichzeitig werden die Grenzen ihres Wissens darüber sichtbar, wie die Praxis tatsächlich „funktioniert“.

Einen weiteren Schwerpunkt der Diskussion stellte die transdisziplinäre Lehre dar. Sie führt einerseits zu positiven, lebensnahen Lerneffekten für Studierende durch die konkrete Zusammenarbeit mit Praxisakteuren, andererseits ist sie mit einem hohen Aufwand für Lehrende verbunden und kann Leistungsdruck für Studierende erzeugen, sowohl gute Studienergebnisse als auch praxisrelevante Erkenntnisse zu produzieren. Ein anderer Zielkonflikt besteht darin, dass Ergebnisse, die für die Praxis relevant sind, sich aufgrund des Kontextbezugs oft schwer verallgemeinern bzw. übertragen lassen. An der Kommunikation und dem Erwartungsmanagement zwischen Wissenschaft und Praxis bezüglich Zielkonflikten sollte aktiv angesetzt werden. Die Wissenschaft sollte außerdem ihre gesellschaftliche Verantwortung unter forschungsethischen Gesichtspunkten reflektieren, insbesondere in Forschungsansätzen, die transdisziplinäre Experimente in realweltlichen Kontexten durchführen. Auf der individuellen Ebene stellte sich außerdem die Frage, welchen Einfluss die Beteiligung an einem transdisziplinären Forschungsvorhaben auf die jeweiligen Karrieren der Projektmitarbeitenden – sowohl in Wissenschaft und Praxis - hat.

Der zweite Teil des Workshops wurde als empirisches Format konzipiert: In drei Fokusgruppen (2x Wissenschaft, 1x Praxis) wurde diskutiert, welche Strategien die eingeladenen Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen verschiedener Kontexte und Karrierestufen im Umgang mit Synergien und Trade-offs anwenden. In den moderierten Kleingruppen konnten sich die Teilnehmer*innen gemeinsam über ihre Erfahrungen austauschen. Sie nutzten die Möglichkeit, um sich untereinander zu beraten und ihre Forschungspraxis zu reflektieren. Die Diskussionen werden in den kommenden Monaten ausgewertet und die Ergebnisse in verschiedenen Formaten zugänglich gemacht.

Wir danken allen Beteiligten für ihre Teilnahme und ihren wertvollen Input!