Am 17. März 2022 veranstalteten Bettina Brohmann und Melanie Mbah (beide Öko-Institut e.V.) einen digitalen Reflexionsworkshop zur Themenlinie 4 „Neue Formate“ im Rahmen der Darmstädter Tage der Transformation, Workshop 4 des tf-Symposiums. In einem eineinhalbstündigen Workshop-Format wurden die ersten Zwischenergebnisse zur Rolle und Gestaltung innovativer Formate der transdisziplinären Forschung vorgestellt und mit zahlreichen Teilnehmenden diskutiert.

Der Workshop fand im Rahmen der Themenlinie 4 „Neue Formate“ als erster Teil der Ergebnisreflexion statt. Ziel war es, die ersten Zwischenergebnisse der Themenlinie zu reflektieren und mit Expert*innen anhand von vier Leitfragen zu diskutieren. Darauf aufbauend werden die Ergebnisse weiterentwickelt und in einem zweiten Reflexionsworkshop, der für das Jahr 2023 geplant ist, vorgestellten und diskutiert. Fünf ausgewählte Formate stehen im Fokus der Untersuchung in Themenlinie 4. Im Workshop wurde der Fokus auf die Formate Transmente und living labs (als einem Ansatz des Reallabor-Formats) sowie auf kunstbasierte Ansätze gelegt. Zu diesen drei Formaten gab es jeweils von Julian Schenten (Hochschule Darmstadt/s:ne), Julia Backhaus (RWTH Aachen/LLT) und Fiona Schrading (Projekt Wasteland) kurze Impulse. Das Format Theory of Change, das durch Sabine Hoffmann (EAWAG/Zürich) vorbereitet wurde, konnte leider krankheitsbedingt nicht im Detail diskutiert werden, wurde jedoch am Rande beleuchtet. Das Format Ten Steps wurde aus zeitlichen und konzeptionellen Gründen im Workshop nicht aufgegriffen.

Der Reflexionsworkshop wurde durch Bettina Brohmann als Hauptmoderatorin eingeführt. Anschließend gab Melanie Mbah einen Kurzüberblick zu den bisherigen Ergebnissen zu innovativen Formaten. Ziel der Themenlinie 4 ist es, zu analysieren, unter welchen Bedingungen sich welcher methodische Ansatz eignet oder welche methodischen Einzelelemente passend sind, um integriert die erwartete Qualität von Prozessen und Ergebnissen erreichen zu können. Im Workshop wurde zunächst das der Themenlinie 4 zugrundeliegende Verständnis der Differenzierung in Format und Methode dargelegt: Formate umspannen demnach mindestens zwei Phasen transdisziplinärer Forschung und im Idealfall den gesamten transdisziplinären Forschungsprozess. Hingegen werden je nach Phase und Format unterschiedliche – aber auch ähnliche – Methoden aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen kombiniert, wie bspw. der empirischen Sozialforschung und der transdisziplinären Forschung. Als innovative Formate werden solche Formate betrachtet, bei denen Praxisakteur*innen intensiv kollaborativ in den Forschungsprozess eingebunden werden, also mehr sind als Wissensgeber*innen oder Anwender*innen. Als solche innovativen Formate werden in Themenlinie 4 die folgenden fünf Formate genauer analysiert: Reallabore, kunstbasierte Ansätze, Transmente, Ten Steps und Theory of Change (siehe Abbildung 1). All diesen Formaten gemein ist, dass sie die drei genannten Aspekte der Definition innovativer Formate beinhalten. D.h. sie erfordern eine intensive Kollaboration zwischen Forschenden und Praxisakteur*innen, reichen über mindestens zwei Phasen des transdisziplinären Forschungsprozesses und kombinieren unterschiedliche Methoden in den einzelnen Phasen miteinander.

Abbildung 1: Auswahl innovativer Formate zur Untersuchung in Themenlinie 4

Abb TL4

Quelle: Eigene Zusammenstellung, basierend auf den Untersuchungen aus TransImpact (siehe Grunwald et al. 2020) und einem systematischen Literaturreview.

Aus den bis dahin durchgeführten Dialogforen (zum Einbezug der Praxisakteur*innen; zur Vielgestaltigkeit des Reallabor-Formats und zu innovativen Formaten generell) und einzelnen leitfadengestützten Interviews zeigte sich, dass insbesondere die Herausforderungen in der Startphase eines transdisziplinären Projektes sehr groß sind. Hier stellt sich vor allem die Frage, wie in solchen Projekten mit zunächst stark forschungsorientierten Fragen und Impulsen, die Praxisakteure mitgenommen werden können. Gleichzeitig wurde deutlich, dass die Mehrwerte gemeinsamer Lösungen auf sehr unterschiedlichen Ebenen liegen und hier unterschiedliche Hemmnisse zum Tragen kommen. Hier gilt es, Ängste und Hemmnisse bezüglich anstehender Verhaltens- und institutioneller Veränderungen abzubauen. Außerdem zeigte sich, dass insbesondere Skalierung und Kontext wichtige Rahmenbedingungen für ein gemeinsames Problemverständnis und das Erreichen von Wirkungen sind. Da transdisziplinäre Projekte häufig eher auf lokaler oder regionaler Ebene im Kleinen wirken, stellt sich die Frage nach der Wirkung dieser eher „kleinen Schritte“ nachhaltiger Entwicklung und nach deren wissenschaftlichen Messbarkeit.

Als vorläufige Erkenntnis konnte festgehalten werden, dass in allen innovativen Formaten der iterativ-reflexive und bi-/multidirektionale Einbezug von Praxisakteur*innen zentral ist und hierbei neuartige Ergebnisse und Produkte, wie z.B. Prototypen wie ein „Grundsatzamt für Unmögliches“ (als künstlerische Intervention) oder auch Netzwerke und Mappings entwickelt werden, welche eine methodische Offenheit und neue Kompetenzen sowohl der Forschung als auch der Praxis erfordern. Flexibilität ist hierbei ein Schlüsselelement transdisziplinären Forschens, um Anpassung und Nachjustieren zu ermöglichen. Aber auch gemeinsame Reflexion und kollaborative Entwicklung von Interventionen sind zentral. Als Ausgangsbasis ist zudem ein gemeinsames Verständnis und der Aufbau einer Vertrauensbasis zwischen Forschenden und Praxisakteur*innen wichtig. In der Praxis transdisziplinären Forschens zeigt sich zudem, dass Kontexte zwar bedeutsam sind für Methodenkombinationen oder deren Nachjustierung, jedoch Ziel- und Problemstellung in der Regel im Fokus liegen.

Auf Basis dieser ersten Erkenntnisse wurden die zuvor genannten Impulse zu Transmenten, kunstbasierten Ansätzen, living labs und Theory of Change gegeben (siehe Abbildung 2) und anhand von vier Leitfragen diskutiert. Die vier Leitfragen waren:

  1. Nach welchen Kriterien und mit welcher Akteursbeteiligung wurden Format und Methode gewählt?
  2. Welchen Einfluss hatten Zielorientierung, Problemimpuls und Akteurskonstellation auf die Wahl des Formats oder der Formatentwicklung?
  3. Wurden verschiedene Methoden kombiniert und wie (aus welchen Gründen, in welcher Phase des Forschungsprozesses)?
  4. Wie gelang die Motivation zur Teilnahme verschiedener Akteursgruppen an der Ko-Produktion über die Zeit?

In der Diskussion der vier Leitfragen mit den Teilnehmenden wurde deutlich, dass in der Frage von Zielorientierung und Problemimpuls in der Aufbauphase eines Formates der Fokus zunächst stärker auf der Gewinnung und Motivation von engagierten Akteuren liegt, um dann mit diesen in einem Akteursnetz die Ziele über den Problemimpuls hinaus (später) genauer zu definieren. Insbesondere ethnografische Ansätze ermöglichen hierbei ein neues Verständnis des Kontextes und der Akteurskompetenzen (gesellschaftlich relevanter Stakeholder) durch den Einbezug der Bedeutung des (regionalen) Raumes. Künstlerische und kulturverbindende Ansätze scheinen – vor allem für lokal/regional verortete Projekte – einen identitätsstiftenden Impuls auszulösen, der zu einer höheren Selbstwirksamkeit und Motivation von Akteursgruppen führen kann. Auch wenn künstlerische Ansätze mit ihren Interventionen zunächst scheinbar kein konkretes Ziel verfolgen, sondern eher Irritationen hervorrufen möchten, werden hier Verhaltensänderungen in Gang gesetzt. Wichtig ist im Zusammenhang mit kunstbasierten Ansätzen, dass möglichst keine Vorannahmen getroffen werden. Es wurde deutlich, dass nach wie vor eine große Herausforderung darin besteht, wissenschaftsferne bzw. bildungsferne Bevölkerungsgruppen in transformative Projekte und transdisziplinäre Forschung zu integrieren. Auch hier können kunstbasierte Ansätze helfen.

In sozial-ökologischen Formatkontexten, wie den örtlich oder regional angesiedelten Reallaboren, zeigt sich häufig eine (starke) Orientierung hin zur sozialen Nachhaltigkeit und Netzwerkbildung auf der lokalen Ebene. Diese Orientierung ist verbunden mit verschiedenen Konsequenzen für den methodischen Aufbau und Ablauf der Formate (z.B. stark partizipative Methoden bei Reallabor und living labs), aber auch mit ihren möglichen Wirkungsoptionen auf die anderen Dimensionen von Nachhaltigkeit.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass insbesondere für die Identitätsstiftung und die damit einhergehende Motivation beteiligter Akteure, künstlerische Formate und eine intensive Kollaboration in der ersten Phase des transdisziplinären Forschungsprozesses hilfreich sein können. Hierbei ist zu beachten, dass die hier im Fokus stehenden Formate bisher mehr auf der lokalen und regionalen Ebene eingesetzt werden, insbesondere deshalb, weil die räumliche Nähe der Akteure und Präsenztreffen eine große Bedeutung für die Identifikation mit dem Projekt und den Vertrauensaufbau haben. Zugleich sind Flexibilität und Offenheit zentrale Voraussetzungen für die Zusammenarbeit mit Praxisakteuren. Hinsichtlich Methodenauswahl und -kombination ist festzuhalten, dass diese vor allem in Reallaboren häufig situativ-kontextbezogen erfolgt. Zur Auswahl und Anpassung von Formaten und Methoden bedarf es weitergehender Konkretisierungen zu den ausgewählten Formaten.

Abbildung 2: Impulse zu unterschiedlichen innovativen Formaten

TL 4_Reflexion Abb2

Quelle: Darstellung aus dem Workshop.