Am 18. März und am 23. Juli 2021 führte die Themenlinie 4 "Neue Formate und Methoden" im Rahmen von Workshops jeweils ein Dialogforum für Wissenschaftler*innen und Praxisakteur*innen mit unterschiedlichem methodischem Zugang durch. In diesem Kurzbericht werden Ablauf und Ergebnisse der Workshops zusammengefasst.

Das erste dieser Dialogforen wurde – gemeinsam mit dem ISOE, der Hochschule Darmstadt h_da und der Schader Stiftung Darmstadt – im Rahmen der „Darmstädter Tage der Transformation“ für Praxisakteure in der transdisziplinären Forschung angeboten. Praxispartner*innen vor allem mit einem kommunalen Background aus Verwaltung, Unternehmen und Initiativen stellten ihre jeweiligen Formate in der transdisziplinären Zusammenarbeit vor und diskutierten über ihre Erfahrungen, Perspektiven und Herausforderungen.

Ein Schwerpunkt der Diskussion in den Arbeitsgruppen entlang von ausgewählten Handlungsfeldern der Stadtentwicklung (Wohnen, Mobilität, Energie) beschäftigte sich mit der Erarbeitung gemeinsamer Problemstellungen und Ziele zwischen Praxis und Wissenschaft. Dabei wurde auch gefragt, welche Ziele Praxisakteur*innen selbst mit der Mitwirkung in transdisziplinären Forschungsprojekten verbinden und wie sie für sich Erfolg definieren würden. Zu den Zielen gehört es beispielsweise, die Formate erproben zu können, bessere und fundiertere Entscheidungen herbeizuführen und geeignetere Lösungsansätze zu entwickeln sowie ein gemeinsames Lernen zu ermöglichen. Die Praxisakteur*innen berichteten aus Reallaborperspektive oder mit Transment-Erfahrung, welche Herausforderungen und konkreten Anforderungen an die eigene Arbeit mit der Einbindung in ein Forschungsvorhaben und die Wahl eines bestimmten Formates verknüpft sind. Es wurde hier auch auf die Schwierigkeit in der jeweiligen Rollenzuweisung hingewiesen: Man habe ja auch als Praxispartner*in häufig einen wissenschaftlichen Blick auf die Situation und die vermeintlich klare Trennung ‚hier Wissenschaft, dort Praxis‘ existiere im realen Projektleben so nicht. 

Ziele und Herausforderungen von Praxisakteur*innen in der transdisziplinären Forschung – beispielhafte Ergebnisse einer Gruppenarbeit
Ziele und Herausforderungen von Praxisakteur*innen in der transdisziplinären Forschung – beispielhafte Ergebnisse einer Gruppenarbeit (s.a. Workshop-Dokumentation des Online-Workshops vom 17. März 2021. Schader Stiftung)

Auch bestehende Zielkonflikte und der Umgang mit ihnen wurde von verschiedenen Praxisakteur*innen thematisiert. Beispielsweise können aufgrund unterschiedlicher Erwartungen und Selbstverständnisse Rollenkonflikte zwischen Wissenschaft und Praxis auftreten. Während Praxisakteur*innen zum Beispiel Legitimation für einen bestimmten Lösungsansatz erwarten, steht dieser möglicherweise das Wissenschaftsverständnis einer neutralen und objektiven Begleitung gegenüber. Man war sich jedoch über die Arbeitsgruppen und Projektformate hinweg einig, dass Erwartungen immer aufgezeigt werden müssten, um sie greifbar und lösbar zu machen. Sehr kontrovers diskutiert wurde dagegen die Rolle der Forschenden. Auf der einen Seite gibt es das Selbstverständnis der Forschenden, beratend zur Seite zu stehen und zu informieren und auf der anderen Seite werden Forschende von der Praxis als Beteiligte angesehen. Forschende müssten im Laufe des Forschungsprozesses häufiger Rollen wechseln und mit sehr unterschiedlichen Ansprüchen von außen (Politik, Partner, Umfeld der Verwaltung) und innen (Projektdynamik) umgehen. Hier spielten auch das Timing und der Kontext des Vorhabens hinein.

Das zweite Dialogforum, das am 23. Juli.2021 mit 50 Teilnehmenden ebenfalls online durchgeführt wurde, fand in Kooperation mit dem „Netzwerk Reallabore für Nachhaltigkeit“ statt. Das Dialogforum Das Reallabor – ein Format, viele Ansätze?! stellte vier unterschiedliche Ansätze von Reallaboren gegenüber und diskutierte diese vor dem Hintergrund des jeweilig zugeordneten Schwerpunktes der drei Phasen Co-Design, Co-Produktion (Collaboration) und Co-Evaluation.

Dabei wurde auch auf die verschiedenen politischen Ebenen und Handlungsfelder geschaut und es wurden Unterschiede diskutiert, beispielsweise zwischen regionalen Nachhaltigkeitstransformationen und Transformationen durch technische Innovationen. Neben inhaltlichen Aspekten wurden hier vor allem strukturelle Unterschiede entlang eines gemeinsamen Analyseschemas herausgearbeitet und die konkrete Ausgestaltung dieser Ansätze und ihrer jeweils gewählten Methodenschritte konnte gegenübergestellt werden.

Neben den Fragen nach der möglichen Zuordnung von Wirkungen unterschiedlicher Reallaboransätze hinsichtlich einer Nachhaltigkeitstransformation und dem transparenten Umgang damit in der Phase der Co-Evaluation, stellten sich alle Vorhaben in der Phase des Co-Designs die Frage nach dem gemeinsamen Problem- und Zielverständnis.  Die Phase der Co-Evaluation wurde in Wuppertal mit einem eigenen Auswertungsmodell zum Stadtmachen eingeführt (Wanner & Augenstein 2021). Das regionale Reallabor Wissensdialog Nordschwarzwald zeigte bezüglich des Co-Designs mit Wissensmesse und Dialogformaten neue methodische Wege auf (Rhodius & Pregernig 2018). Der Prototyping-Ansatz, den das europäische Netzwerk SISCODE durch zehn unterschiedliche Pilotprojekte zur Entwicklung von Produkt- und Systeminnovationen verfolgte, startete über partizipatives Co-Design in eine erfolgreiche Co-Creation, deren Ergebnisse im nächsten Schritt innerhalb und außerhalb des Netzwerkes ausgerollt werden sollen (Schmittinger 2021). Gemeinsam war allen Ansätzen auch die Frage, die sich das hybride DELTA Vorhaben zur Unterstützung der Energiewende in Darmstadt stellt: Wie kann eine verbindliche Einbindung und Motivation von Stakeholdern gelingen, wenn diese nicht direkte Praxispartner*innen in einem Reallabor-Vorhaben sind? Die Implementierung einer Energie-Akademie ist hier ein Ansatz, um diese Integration über verschiedene Formate (Summer Schools, UrbanUtopiaLAB, etc.) zu vollziehen (West 2021).     

 Erfahrungen zu Abstimmungsprozessen zwischen Wissenschaft und Praxis – beispielhafte Ergebnisse einer GruppenarbeitErfahrungen zu Abstimmungsprozessen zwischen Wissenschaft und Praxis – beispielhafte Ergebnisse einer Gruppenarbeit (s.a. Brohmann, Mbah, Kelly (2021): Workshop "Das Reallabor - ein Format, viele Ansätze?!")

Download des Kurzberichts als pdf

Zu beiden Dialogforen liegen bereits erste Kurz-Dokumentationen vor:

Dialogforum 1: Workshop-Dokumentation des Online-Workshops vom 17. März 2021. Schader Stiftung 

Dialogforum 2: Dokumentation des Online-Workshops am 23. Juli 2021. Öko-Institut e.V.

Zitierte Quellen:

Rhodius, R./Pregernig, M. (2018): Per 'Wissensmesse' zum Forschungsprogramm: Arbeitsphasen und Abstimmungsprozesse zwischen Wissenschaft und Praxis. In: Defila, Rico & Di Giulio, Antonietta (Hg.) Transdisziplinär und transformativ forschen: Eine Methodensammlung. Wiesbaden: Springer. 163-194.

Schmittinger, F./ Mariani, I./ Deserti, A./ Rizzo, F. (2021): SISCODE – Co-Design for Society in Innovation and Science. https://siscodeproject.eu/wp-content/uploads/2021/05/D5.2_Interactive_Guidebook.pdf

Wanner, M. (2021): Wirkungsbedingungen des koproduktiven Stadtmachens in Wuppertal. Vortrag; Online-Workshop „Das Reallabor – ein Format, viele Ansätze?!“; 23.07.2021; Online.

West, C. (2021): DELTA – Reallabor hybrid: Next Generation (?!). Vortrag; Online-Workshop „Das Reallabor – ein Format, viele Ansätze?!“; 23.07.2021; Online.