Ein Beitrag von Stephanie Moser, Martina Schäfer, Emilia Nagy, Oskar Marg und Michael Kreß-Ludwig

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Quelle: Stephanie Moser, 2024

Als Antwort auf dringende ökologische und gesellschaftliche Herausforderungen unserer Zeit zielen transdisziplinäre und transformative Forschungsansätze (TTF) nicht nur darauf ab, wissenschaftliche Erkenntnisse zu generieren, sondern auch, gesellschaftliche Veränderungen voranzutreiben. Sie tun dies, indem sie gesellschaftliche Akteurinnen und Akteure in die Koproduktion von Wissen einbeziehen und so Impulse für die Bewältigung komplexer gesellschaftlicher Probleme liefern. Während das Potenzial der TTF zur Förderung gesellschaftlicher Wirkungen allgemein anerkannt wird, ist das Verständnis darüber, wie gesellschaftliche Wirkungen angestoßen und unterstützt werden können, eher begrenzt.

In einem Austausch zwischen Forschungsgruppen des Zentrum Technik und Gesellschaft (ZTG) der Technischen Universität Berlin, des ISOE- Institut für sozial-ökologische Forschung (Frankfurt) und des Centre for Development and Environment (CDE) der Universität Bern, der durch ein Fellowship der TdAcademy unterstützt wurde, haben wir das Konzept der „Wirkungspfade“ vertieft. An einem Workshop an der Konferenz der Global Alliance for Inter- and Transdisciplinarity (ITD) im November 2024 in Utrecht (siehe Schäfer et al., 2024) haben wir unsere Erkenntnisse mit etwa 30 Teilnehmenden diskutiert und hinterfragt.

Unterschiedliche existierende Konzepte zu Wirkungspfaden

Wir verstehen unter Wirkungspfaden in Anlehnung an das ‚Theory of Change‘-Denken, Annahmen über Etappen (‚Trittsteine‘) auf dem Weg zu möglichen geplanten, erhofften oder erzielten gesellschaftlichen Wirkungen in TTF, sowie über die (zeitlichen) Zusammenhänge zwischen Projektaktivitäten und Outputs sowie kurz-, mittel- und langfristigen Wirkungen.

Derzeit gibt es erst wenige und recht unterschiedliche Ansätze zur Konzeptualisierung von Wirkungspfaden für transdisziplinäre und transformative Nachhaltigkeitsforschung. Wir haben uns den folgenden drei Ansätzen, die wir als Co-Autorinnen und Co-Autoren mitentwickelt hatten, vergleichend gewidmet:

  • Wirkungspfade für transdisziplinäre td-Forschung zur nachhaltigen urbanen Transformation (Kreß-Ludwig et al., 2024)
  • Wirkungspfade für td-Forschung in Reallaboren der Nachhaltigkeits- und Innovationsforschung (Nagy et al., 2023)
  • Wirkungspfade in der td-Forschung zu nachhaltiger Entwicklung einschließlich Erfahrungen aus Aktivitäten im Globalen Süden (Schneider et al., 2019)

Die drei Ansätze sind in unterschiedlichen Forschungskontexten und auf der Grundlage von Erfahrungen aus verschiedenen Projekttypen entstanden. Sie weisen daher unterschiedliche Strukturen und Elemente auf und sind für verschiedene Zwecke geeignet.

Schneider et al. (2019) schlagen drei Wege vor, die auf drei verschiedenen Wirkungslogiken beruhen:  Erstens Wirkung durch die Koproduktion und Verbreitung von Wissen; zweitens Wirkung durch die Schaffung eines Umfelds, das soziales Lernen ermöglicht; und drittens Wirkung durch die Entwicklung von Kompetenzen für transformative Führung bei den beteiligten Partnern.

Kreß-Ludwig et al. (2024) beschreiben drei Wirkungspfade, die hervorheben, dass ähnliche Elemente in unterschiedlicher Reihenfolge von direkten und indirekten Wirkungen auftreten können. Wirkungspfad 1 startet mit sozialem Lernen und Vernetzung, welche über Veränderungen städtischer Governance hin zu physischen Veränderungen (etwa in der Infrastruktur oder Grünflächen) und/oder Verhaltensänderungen führen. Wirkungspfad 2 startet mit experimentellen Modifikationen physischer Strukturen (etwa der temporären Umwandlung eines Straßenraumes), welche zu veränderten Verhaltensmustern und sozialen Netzwerken und damit zu Lerneffekten führen, die wiederum Veränderungen infrastruktureller Art und der städtischen Governance begünstigen. Wirkungspfad 3 hat seinen Anfang in Lern- und Vernetzungsprozessen innerhalb städtischer Verwaltung und Politik, welche zu Veränderungen in der städtischen Governance führen, wie der Entwicklung innovativer und partizipativer städtischer Planungstools, welche schließlich zu Veränderungen in städtischen Infrastrukturen führen, die einen Wandel von Verhaltensweisen befördern.

Nagy et al. (2023) beschreiben einen umfassenden und detaillierten Pfad für transdisziplinäre Experimente in Reallaboren und unterscheiden nicht nur zwischen Projektphasen, sondern auch zwischen Auswirkungen unterschiedlicher Größenordnung sowie Voraussetzungen, Bedingungen und Erfolgsfaktoren. Die Beschreibung ist somit sehr detailreich und schlägt expliziter einen Bogen zu Typologien gesellschaftlicher Wirkungen als die beiden anderen Ansätze.

Nutzen eines besseren Verständnisses von Wirkungspfaden

Ein vertieftes Verständnis darüber, welche Wirkungspfade verschiedenen gesellschaftlichen Wirkungen in td-Projekten im Allgemeinen und transformativen Formaten im Besonderen zugrunde liegen, hat, gemäß unserer Erfahrung, mehrere vielversprechende Vorteile:

  • Erstens unterstützt es die gemeinsame Konzeption und Planung von Projekten und Aktivitäten im Sinne der Entwicklung einer gemeinsamen Theory of Change.

  • Zweitens erleichtert die Reflexion über die zugrundeliegenden Wirkungspfade ein kontinuierliches reflektierendes Lernen und adaptives Management während der Umsetzung, um effektiver Wirkungspotenziale aufzubauen.
  • Drittens unterstützt die Definition von Wirkungspfaden die Evaluation von Projekten und Aktivitäten.

Zukünftige Weiterentwicklung des Konzepts

Der gemeinsame Vergleich der drei Ansätze und die Diskussion der Ansätze mit den Workshop-Teilnehmenden ergab verschiedene Wissenslücken und Unklarheiten, die Spielraum für eine zukünftige Weiterentwicklung der Konzepte eröffnen:

Erstens gibt es einen Trade-off zwischen einer möglichst konkreten, einfachen und intuitiven Darstellung der Wirkungspfade (wie bei Schneider et al. 2019 oder Kreß-Ludwig et al. 2024) und einer detaillierten Darstellung, die der Komplexität der Prozesse gerecht wird (wie bei Nagy et al. 2023). Eine möglichst einfache Darstellung ignoriert beispielsweise die Komplexität der Zusammenhänge zwischen den Pfaden, suggeriert eine ungerechtfertigte Linearität und lässt die konkreten Inhalte der einzelnen Trittsteine offen, was sie abstrakter und damit – ohne weitere Informationen – weniger leicht nachvollziehbar macht. Gleichzeitig lässt sich die zugrundeliegende Wirkungslogik leichter erfassen als in einer detaillierten Darstellung, und es besteht Raum für Anpassungen für spezifische Projekte und Anwendungen. Eine mögliche zukünftige Lösung könnte darin liegen, anstelle von vorgefertigten Wirkungspfaden Elemente vorzuschlagen, die als Grundlage für die Gestaltung spezifischer Wirkungspfade je nach Projekt und Kontext dienen können.

Zweitens sind nicht nur die Wirkungspfade von Interesse, sondern auch die zugrundeliegenden kontextuellen Voraussetzungen und prozeduralen Bedingungen für den Erfolg sowie mögliche Fallstricke auf dem Weg. Mit anderen Worten, es sollten mehr Antworten auf die Frage gefunden werden, wie ein erfolgreicher Fortschritt entlang der Wirkungspfade aktiv gefördert werden kann.

Drittens zeigten die Diskussionen, dass es weitere Wirkungslogiken gibt, die sich in Wirkungspfaden abbilden ließen. Zudem wurde klar, dass die Wirkungspfade nur in ihrer abstrakten Form isoliert existieren. In der Realität kommen sie in Kombinationen vor, weil die Projekte gleichzeitig mehrere Ansätze verfolgen, um gesellschaftliche Wirksamkeit zu generieren. Die Reflexion und Integration von Erkenntnissen aus weiteren Projekten könnten hier weitere Einsichten liefern.

Viertens stellt sich die Frage, inwieweit die Wirkungspfade für die Förderung langfristiger gesellschaftlicher Wirkungen wirklich relevant sind. Die Beantwortung dieser Frage erfordert eine langfristige Begleitung weiterer Projekte über die Laufzeit hinaus und einer Klärung, wie die gesellschaftlichen Wirkungen operationalisiert, beobachtet und gemessen werden können.

Nicht zuletzt vernachlässigen die bisherigen Ansätze die Rolle und Positionierung der beteiligten Forschenden. Dies sollte in zukünftigen Arbeiten expliziter hervorgehoben werden.

Wir sind überzeugt, dass das Nachdenken über Wirkungspfade hilft zu verstehen, wie TTF gesellschaftliche Wirkungen noch effektiver anstreben kann. Rückmeldungen der Teilnehmenden im Workshop bestätigten, dass Wirkungspfade als ein hilfreiches Tool gesehen werden, um Projekte mit einer langfristigen Perspektive zu planen und gesellschaftliche Projektwirkungen zu visualisieren. Eine Beschreibung und Reflexion von Wirkungspfaden aus weiteren Projekten und Programmen könnte helfen, das Konzept im Sinne der oben beschriebenen offenen Fragen voranzubringen. Der Austausch und Workshop im Rahmen des tdAcademy Fellowships hat es ermöglicht, hier erste Überlegungen anzustellen.

Literatur

Kreß-Ludwig, M., Marg, O., Schneider, R., & Lux, A. (2024). Lessons from transdisciplinary urban research to promote sustainability transformation in real-world labs: Categories, pathways, and key principles for generating societal impact. GAIA - Ecological Perspectives for Science and Society, 33(1), 10–17. https://doi.org/10.14512/gaia.33.S1.3

Schäfer, M., Nagy, E., Marg, O., Kreß-Ludwig, M., & Moser, S.(2024). Fostering effectiveness of transdisciplinary research by reflecting possible impact pathways. Workshop at the itd24 Conference from November 4-8 in Utrecht, Netherlands.

Nagy, E., Schäfer, M., & Roth, C. (2023). Innovative Ideen aus dem ländlichen Raum. Barnim & Uckermark im Wandel. Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.10572383

Schneider, F., Giger, M., Harari, N., Moser, S., Oberlack, C., Providoli, I., Schmid, L., Tribaldos, T., & Zimmermann, A. (2019). Transdisciplinary co-production of knowledge and sustainability transformations: Three generic mechanisms of impact generation. Environmental Science & Policy, 102, 26–35. https://doi.org/10.1016/j.envsci.2019.08.017